Wie das Reisen mein Leben bereichert hatYoga Retreat in Albanien

Reisen ist die schönste Art, Geld auszugeben und trotzdem reicher zu werden“

Bevor ich beschlossen habe, auf Gran Canaria sesshaft zu werden, habe ich viele Jahre die Welt bereist und in verschiedenen Teilen der Erde gelebt. Ich habe unter anderem in Australien, Neuseeland, Südafrika und Norwegen gewohnt und bin mit dem Rucksack durch Südamerika, Asien und Afrika gereist. Oft werde ich gefragt, was mich am Reisen so fasziniert. Gute Gründe gibt es viele: Wer reist, der lernt fürs Leben. Die vielen Jahre im Ausland haben mich zu einem anderen, weltoffeneren Menschen gemacht. In der Fremde habe ich gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, kleine und manchmal auch größere Probleme allein aus der Welt zu schaffen und offen auf andere Menschen zuzugehen. Ich kann wohl sagen, dass ich während dieser Zeit mehr gelernt habe, als mich Schule oder Uni je hätten lehren können – sowohl über mich selbst, als auch über andere. Reisen hat mir die Augen für das Wesentliche im Leben geöffnet. Eine nett eingerichtete Wohnung, ein protziges Auto oder ein Kleiderschrank voll mit teuren Klamotten machen auf Dauer nicht glücklich. Oder wie erklärt es sich sonst, dass die Menschen in den ärmsten Ländern oft die stärkste Lebensfreude ausstrahlen? Wie meinte ein Ecuadorianer beim sonntäglichen Bier in seiner Kneipe mal so schön: “Ich hab zwar nicht viel, aber ich habe ein Herz!”

Geld allein macht nicht glücklich. Bei meinem Ausflug auf die Fidschi-Inseln, stellte ich einmal mehr fest, dass an dieser Aussage viel Wahres dran ist. Ich hatte das unsagbare Glück, Land und Leute von einer ganz anderen, untouristischen Seite kennen zu lernen und war überrascht, wie einfach und unbeschwert das Leben hier war.

Zwischen den einzelnen Inseln reist man auf den Fidschis mit einem großen Boot. Dieses hält unterwegs und verschiedene kleine Boote bringen einen dann an Land. Als ich damals auf der Insel Naviti als Einzige von Bord ging, dachte ich mir nichts dabei. Stutzig wurde ich erstmals, als man mir im Camp auf Verlangen eines Dorm-Bettes bereitwillig ein Doppelzimmer gab – ganz für mich allein und zum selben Preis. Aber gut, warum nicht auch mal Glück haben. Als ich wenig später zum Mittagessen erschien, kam mir das Ganze dann aber doch reichlich komisch vor. Im Speisesaal war nämlich lediglich für eine Person gedeckt. Konnte es sein, dass ich der einzige Gast auf dieser Insel war? Auf mein Nachfragen hin erklärte man mir, dass die Saison noch nicht begonnen hatte und momentan nicht viel auf der Insel los war. Vielleicht würden jedoch am Nachmittag weitere Gäste ankommen.

Im ersten Moment wusste ich nicht so richtig, ob ich mich freuen oder in Tränen ausbrechen sollte. Bei längerem Darüber-Nachdenken wurde mir jedoch klar, dass dies das Beste war, was mir hatte passieren können. Ein ganzes Camp für mich allein, das gesamte Personal zu meiner alleinigen Verfügung. Abends mit den Angestellten zusammensitzen und Karten spielen, gespannt ihren Berichten vom gewiss nicht immer einfachen Leben auf einer traumhaften Insel zuhören und endlich mal alle meine Fragen loswerden. Und tagsüber ungestört in der Hängematte liegen und ein Buch lesen. Perfekt!

Als ich am Nachmittag einen Strandspaziergang machte, stellte ich fest, dass es nur wenige Hundert Meter weiter noch ein zweites Camp gab. Auch dieses war nicht wirklich stark von Besuchern frequentiert, immerhin wohnten hier jedoch ein paar weitere Touristen. Falls ich mich also nach Gesellschaft sehnen sollte, blieb mir immer die Möglichkeit, hierher zu gehen. Aber eigentlich gefiel mir mein Camp viel besser.

Beim Abendessen setzte sich das Küchenmädchen Kuini zu mir und wir begannen, uns zu unterhalten. Sie erzählte mir, dass sie aus einem Dorf auf der anderen Seite der Insel kam. Am folgenden Tag wollte sie ihrer Familie einen Besuch abstatten und bot mir an, sie auf diesen Ausflug zu begleiten. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Ein Besuch in einem richtigen Dorf, das würde bestimmt interessant. Ich hatte zwar schon auf der letzten Insel eine Tour in ein Dorf gemacht, allerdings in einer Gruppe von etwa dreißig Touristen. Das Ganze glich auch eher einer Verkaufsveranstaltung. Man hatte extra für uns einen kleinen Markt mit Souvenirs aufgebaut und der Sinn unseres Besuches bestand offenbar hauptsächlich darin, uns zum Kauf irgendwelcher Dinge zu animieren. Ein Ausflug zu Kuinis Familie war da schon etwas Anderes.

Am nächsten Tag machten wir uns also in aller Frühe auf den Weg. Wir wanderten ganze drei Stunden, ehe wir das Dorf erreichten. Hier war ich natürlich die Attraktion schlechthin. Einen Menschen mit blonden Haaren hatten die meisten hier wohl noch nie gesehen. Neugierig kamen die Dorfbewohner aus ihren Hütten und begrüßten mich mit einem freundlichen “Bula!” Wenn auch unerwartet, mein Besuch war in jedem Falle willkommen.

Wir besuchten zunächst einmal Kuinis Familie. Mutter, Schwester und eine Reihe weiterer Frauen hatten es sich vor ihrer Hütte im Palmenschatten gemütlich gemacht. Hier saßen sie nun auf einer Decke und erzählten über Gott und die Welt. Das nahm ich jedenfalls an, verstehen konnte ich sie ja nicht. Um die Frauen herum spielten acht kleine Kinder – eins davon niedlicher als das andere. Kuini stellte uns einander vor und wir begrüßten uns herzlich.

Nachdem wir uns von unserem Marsch ins Dorf ausgeruht hatten, brachte Kuini mich zum Stammesältesten des Dorfes. Dieser versicherte mir, dass er und der Rest der Bewohner sich sehr über meinen ungewöhnlichen Besuch freuten. Als Zeichen meines Dankes kaufte ich Kava, das zu Zeremonien und besonderen Anlässen konsumierte Nationalgetränk und mein Name wurde ganz offiziell in die Dorfchronik eingetragen. Dann führte mich das Stammesoberhaupt durchs Dorf. Er zeigte mir die Schule, Kirche und andere Gemeinschaftseinrichtungen und erklärte mir in nahezu perfektem Englisch, wie der Alltag auf der Insel aussah. Im Grossen und Ganzen verlief das Leben hier wohl relativ entspannt. Die meiste Zeit des Tages saß man einfach nur im Schatten und ruhte sich aus. Auch Krieg, Streit und Neid schien es im Dorf nicht zu geben. Im Gegenteil: erkrankte jemand und konnte nicht mehr für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen, so konnte er auf die Hilfe der Dorfgemeinschaft zählen. Es galt das Prinzip: einer für alle, alle für einen.

Später begab ich mich zurück zu Kuinis Familie. Es war Zeit für das Mittagessen. Serviert wurden Nudeln mit Gemüse, Fleisch sowie Bread-Fruit, eine Baumfrucht, die praktisch unsere Kartoffel ersetzt und zudem sehr viel besser schmeckt. Gespannt beobachteten mich die anderen beim Essen. Auf den Fidschis ist es nämlich üblich, dass der Gast zuerst isst. Die Gastgeber speisen erst, wenn dieser fertig und vollständig gesättigt ist. Nachdem ich mit dem Essen fertig war, begab ich mich schon mal allein zur Mittagsruhe an den Strand. Kuini blieb bei ihrer Familie, um nunmehr ebenfalls ihr Mittagsmahl einzunehmen.

Der Strand war einfach traumhaft, noch viel schöner als auf der anderen Seite der Insel, wo sich unser Camp befand. Palmen, weißer Strand und türkisfarbenes Meer. Ein Paradies auf Erden! Irgendwann gesellte sich auch Kuini zu mir. Wir faulenzten gemeinsam eine Stunde unter Palmen und machten uns dann auf den Weg zurück zu den Frauen, die sich noch immer nicht vom Fleck gerührt hatten. Hier verbrachten nun auch Kuini und ich die nächsten sechs (!) Stunden und taten einfach mal rein gar nichts. Ab und zu machte jemand eine Bemerkung und wir lachten über die Kommunikationsschwierigkeiten. Hätte ich doch bloß ein paar mehr Fidschi-Ausdrücke aus meinem Reiseführer gelernt. Zu spät! Aber gut, wir verständigten uns mit Händen und Füßen oder Kuini übersetzte für uns.

Interessant war es auch, den Kindern beim Spielen zuzusehen. Ein dreijähriger beschäftigte sich schon seit Stunden mit einem Säckchen voll kleiner Steine. Diese schüttete er immer mal wieder aus, um sie dann wieder einzusortieren. Ein anderer spielte schon seit einer Ewigkeit mit einem kaputten Spielzeugauto. Es war einfach unglaublich, wie die Kleinen sich selbst beschäftigen konnten, und das, mit so einfachen Dingen. Wenn ich das so mit den Kids zu Hause verglich: die hatten ihre Kinderzimmer bis oben hin mit den neuesten Spielsachen bepackt und wussten trotzdem nichts mit sich anzufangen. Ebenso unglaublich war es, dass die Leute hier auf der Insel tatsächlich den ganzen Tag lang nichts zu machen schienen. Klar, es war unglaublich heiß und jeder Handgriff erforderte enorme Anstrengung, aber das ganze Leben mit Nichtstun verbringen? Wird einem das nicht irgendwann über? Also bei mir setzte die Langeweile nach etwa vier Stunden ein. Hätte ich den Leuten hier erzählt, dass in diesem Moment grad überall auf der Welt Geschäftsleute unglaublichem Stress ausgeliefert waren und unter enormen Zeitdruck arbeiteten, hätte man mich wahrscheinlich für verrückt erklärt. Der Höhepunkt des Tages war die Ankunft eines Schiffes. Ein Teil der Dorfbewohner war nämlich drei Tage zuvor in Richtung Festland aufgebrochen, um neue Vorräte an Lebensmitteln wie Reis, Nudeln, Zucker etc. einzukaufen. Beim Entladen des Schiffes wurde einmal mehr klar, dass das Dorf eine geschlossene Gemeinschaft war. Ausnahmslos jeder half mit.

Irgendwann gegen Abend hieß es dann Abschied nehmen. Für Kuini und mich ging es zurück auf die andere Seite der Insel, und zwar im Boot. Vor der Abreise schossen wir noch unzählige Erinnerungsfotos, tauschten Adressen und ich versprach, Abzüge von den Bildern zu schicken. Nur ein Tag im Dorf und ich hatte viele neue Freunde gewonnen.

Das Erlebnis auf den Fidschis beschäftigte mich noch lange. Zu sehen, wie Menschen auch ohne viel Geld glücklich – vielleicht sogar glücklicher – leben. Zu beobachten, wie Menschen füreinander da sind und sich gegenseitig helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Zu sehen, wie Menschen friedlich nebeneinander her leben, ohne neidvoll auf das zu starren, was der Nachbar nebenan besitzt. Zu sehen, wie die Menschen ein Leben frei von Stress führen, in dem einzig und allein zählt, dass alle gesund sind und täglich genug zu essen auf den Tisch kommt. Ein Leben, in dem Probleme wie “Was zieh ich heute an?”, “Mein Haar liegt nicht” oder “Ich habe einen Pickel am Kinn” nicht existieren. Aber auch ein Leben, in dem jeder Tag mehr oder weniger gleich aussieht. Klar, die Menschen hier leben auf einer paradiesischen Insel. Wahrscheinlich werden die meisten von ihnen diese aber nie verlassen. Sie werden ihr Leben lang keinen anderen Ort als diesen zu Gesicht bekommen. Ihre Reisen werden sie allenfalls bis zum Festland führen, jedoch nicht zum Vergnügen, sondern um die Nahrungsmittel-Vorräte aufzustocken. Nie werden sie dagegen Orte wie die chinesische Mauer, den südamerikanischen Dschungel oder eine Metropole wie New York besuchen.

Das Leben auf den Fidschis mochte mir im ersten Moment vielleicht beneidenswert erscheinen, mit den Leuten tauschen wollte ich jedoch nicht. Ich war auf der Insel, weil ich es mir ausgesucht hatte, während die Menschen hier keine andere Wahl hatten. Einmal mehr lernte ich zu schätzen, welch Glück es bedeutete, in einem Land wie Deutschland geboren zu sein, die Möglichkeit zu haben, zu reisen und mir die Welt anzuschauen, die Chance zu haben, Menschen verschiedener Länder kennen zu lernen, ihre Kultur zu studieren und für mein eigenes Leben zu lernen

Dies ist ein Auszug aus meinem im Jahr 2009 veröffentlichten Buch „Einmal im Leben mutig sein“.

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