Ich bin seit einem guten Jahr wieder single und bewege mich ständig zwischen den beiden Extremen „zum Glück bist Du allein, Du kannst machen was Du willst und musst auf niemanden Rücksicht nehmen“ und „wann kommt denn endlich mein Mann fürs Leben“. Nach vielen Jahren des glücklichen Single-Daseins und zwei dreijährigen Beziehungen habe ich mir das folgende Versprechen gegeben: „Diesmal suchst Du Dir einen Partner und kein weiteres Projekt.“ Eine Freundin, die sich einer ähnlichen Situation befindet, meinte treffend: „Diesmal nehme ich nur das fertige Endprodukt, nicht wieder einen Mann, der noch unzählige Verbesserungen und Reparaturen braucht.“ Dem kann ich nur zustimmen. Verändern können wir ja sowieso immer nur uns selbst und nicht den anderen. Und entweder der andere fühlt sich durch uns inspiriert und verändert sich ebenfalls – oder wir sehen die Dinge anders und was uns vorher gestört hat, wird unwichtig – oder aber die Wege trennen sich wieder.
Bei meiner Recherche zum Thema Beziehung habe ich auf Youtube die Paar-Therapeutin Esther Perel entdeckt. Esther beschäftigt sich vor allem damit, wie sich unsere Beziehungen in den letzten Jahre verändert haben. Früher galt: ein Partner fürs Leben, bis dass der Tod Euch scheidet und geheiratet wurde nicht aus Liebe, sondern oft aus wirtschaftlichen Gründen und um Nachkommen zu zeugen. Heute dagegen haben unsere Erwartungen an die Ehe epische Ausmaße angenommen: wir wollen immer noch alles, was die traditionelle Familie bieten sollte – Sicherheit, Kinder, Besitz und Ansehen –, aber jetzt wollen wir auch, dass unser Partner uns liebt, uns begehrt, sich für uns interessiert. Wir sollten beste Freunde, vertrauenswürdige Verbündete und obendrein leidenschaftliche Liebhaber sein. Sie stellt auch fest, dass die Ideale der modernen Ehe oft widersprüchlich sind: wir möchten, dass unser(e) Auserwählte Stabilität, Sicherheit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit bietet – gleichzeitig soll dieselbe Person aber auch Ehrfurcht, Mysterium, Abenteuer und Risiko mit sich bringen.
Recht hat sie. Wenn ich mir meine eigenen Erwartungen an eine Beziehung anschaue, dann wünsche ich mir all das, würde vielleicht sogar noch den ein oder anderen Punkt zufügen. Eher unwahrscheinlich, dass ich jemanden finden werde, der all diese Anforderungen erfüllt bzw. erfüllen kann. Was also ist die Lösung? Allein bleiben. Naja, oder dafür sorgen, dass es andere Menschen um uns herum gibt, die einige Punkte von der Liste abdecken. Eine gute Freundin, der man sein Herz ausschütten kann oder auch Leute, die ähnliche Interessen haben und mit denen man gut die Freizeit verbringen kann.
Rückblickend stelle ich fest, dass ich in Beziehungen schon die Tendenz dazu habe, in der Freizeit fast alles gemeinsam mit dem Partner machen zu wollen. Wandern, reisen, neue Orte auf der Insel erkunden. Als Single habe ich überhaupt kein Problem damit, all diese Dinge allein zu machen und genieße dies sogar. Sobald ich aber mit jemandem zusammen bin, verzichte ich oft auf Dinge, die mir Spass machen, wenn mein Partner darauf keine Lust hat. So sitze ich stattdessen zu Hause rum, um zumindest Zeit gemeinsam zu verbringen, ärgere mich aber gleichzeitig, dass wir den Tag nicht besser nutzen. Streit und Frustration vorprogrammiert.
Naja, Einsicht ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung. Meine Freundin Monika geht mir da mit gutem Beispiel voran und hat erstaunlicherweise gar kein Problem, ihre Freizeit nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten. Wenn ihr Freund sich entscheidet, sie zu begleiten, freut sie sich, und falls nicht, ist auch das in Ordnung. Zitat: Ich liebe meinen Freund, aber an erster Stelle komme ich. Selbstliebe – im Yoga ja auch eines der zentralen Themen.
Nun schickt das Universum uns ja bekanntlich immer gerade das, was wir gerade brauchen. Und so lernte ich über Tinder Marco kennen. Groß, muskulös, gutaussehend, beruflich erfolgreich und lustig. Was mir auf Anhieb gefiel war, dass er nicht lange fackelte, sondern mir gleich im ersten Text mitteilte, dass er sich gern persönlich mit mir treffen will, da man eine andere Person durch wochenlanges Hin- und Herschreiben nicht wirklich kennenlernt. Wir verabredeten uns also für den nächsten Tag, stellten fest, dass wir vieles gemeinsam haben und schnell entwickelte sich zwischen uns etwas, was ich auch im Nachhinein nicht definieren kann. Beziehung? Definitiv nicht. Affäre? Auch nicht wirklich. Oder vielleicht auch doch? Marco gab in den drei Monaten eigentlich so gut wie nichts Persönliches über sich preis. Getroffen haben wir uns stets bei mir zu Hause oder an neutralen Orten – etwa weil bei ihm zu Hause Frau und Kind warteten? So sehr ich die gemeinsame Zeit auch genoss, irgendetwas fehlte. Also eigentlich fehlte so Einiges… Wenn wir Zeit zusammen verbrachten, war das toll, aber da Marco ein absoluter Workaholic ist, war es nie möglich, das nächste Date schon im Voraus zu planen. Geschweige denn, etwa einen Ausflug auf der Insel oder Ähnliches zu organisieren.
Also folgte ich Esthers Rat und suchte mir für die Bereiche, die Marco nicht abdeckte, andere Leute. Was zum einen so aussah, dass ich weiter bei Tinder swipte und dort vor allem nach Männern suchte, die laut ihrer Beschreibung gern wandern und Zeit in der Natur verbringen. Wirklich fündig wurde ich hier allerdings nicht, da Marco die Standards um einiges nach oben geschraubt und sich niemand so wirklich an ihm messen konnte. Zum anderen füllte ich meine freie Zeit mit interessanten Dingen, wie Yoga Workshops, Konzerten und Ausflügen auf Gran Canaria und einem Kurzurlaub nach Menorca. Und siehe da, ab und zu entschied sich Marco sogar, mich zu begleiten, da mein Leben so abwechslungsreich ist.
Laut Dr. John Gray, dem Autoren des Buches „Männer sind vom Mars, Frauen sind von der Venus“ ist das Schlimmste, was eine Frau machen kann, ihr eigenes Leben für einen Mann auf Eis zu legen. Stattdessen sollte sie ihr eigenes Ding durchziehen und damit erhöht sie ihre Anziehungskraft auf einen Mann. Es ist psychologisch erwiesen, dass wir etwas für wertvoll erachten, wenn es nur begrenzt zur Verfügung steht und es an zusätzlichem Wert gewinnt, je weniger davon zu haben ist (sogenannter Knappheitseffekt). Indem ich Marco also signalisierte, dass meine Zeit kostbar und knapp bemessen ist, gewann diese für ihn an Wert und er suchte nach Möglichkeiten, mehr davon mit mir zu teilen. Dr. John Gray gibt auch den fantastischen Rat, dass eine Frau am besten stets drei Männer gleichzeitig daten sollte. Doch darum geht es in einem anderen Beitrag.